Der Haushalt 2015 ist beschlossen
Mit 15 gegen 6 Stimmen der CDU-Fraktion hat die Gemeindevertretung den Haushalt 2015 beschlossen. Zuvor wurden noch einige Anträge des Gemeindevorstandes abgestimmt, die entweder alle Stimmen der Gemeindevertreter erhielten oder mit der Mehrheit der SPD-Fraktion beschlossen wurden.
Fraktionsvorsitzender Wilhelm Dietzel begründete nach der Abstimmung über die Einzelanträge die Zustimmung der SPD zum Haushalt. Seine Etat-Rede dokumentieren wir im Folgenden.
Am Ende des Textes finden Sie auch einen Link zum Bericht des Hanauer Anzeigers.
Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren,
die SPD-Fraktion wird dem Haushalt 2015 zustimmen.
Diese Zustimmung ist nicht unbedingt nur ein Vergnügen. In Teilen ist unsere Entscheidung eine notwendige Pflichterfüllung unter äußerem Handlungsdruck. Warum ist das so?
Der Haushalt 2015 deckt ab, was wir mit Blick auf die kommunale Aufgabenerfüllung und die Daseinsvorsorge für unsere Bürger für notwendig und richtig halten – darauf komme ich später noch zu sprechen – , aber wir bilanzieren am Ende immer noch ein Defizit von fast 400.000 Euro.
Was das Defizit betrifft, sind wir zwar besser als im vergangenen Jahr. Da waren es noch über 600.000 Euro. Wir sind also auf dem vorgesehenen Konsolidierungspfad ein Stück vorangekommen, aber der Konsolidierungsdruck bleibt, und das ist nach wie vor bitter.
Die Handlungsmöglichkeiten und Spielräume für Kommunalpolitiker in Hessen sind auf schwer erträgliche Weise eingeschränkt. Das gilt in Hammersbach wie anderswo. Im Wesentlichen können wir noch entscheiden, ob wir die Bürger höher belasten oder die Leistungen der Gemeinde für die Bürger zurückfahren – oder auch beides. Die nötige Sparsamkeit in der Verwaltung und im Umgang mit ihren Ressourcen haben die meisten Kommunen in Hessen ja längst ausgereizt.
Ich kann nur wiederholen, was ich hier im letzten Jahr beklagt habe: die Gemeinden befinden sich in einem Negativ-Wettbewerb um abnehmende Attraktivität, Wohn- und Lebensqualität. Die Leistungen werden dürftiger und dringend nötige Infrastrukturinvestitionen werden nur unzureichend vorgenommen. Schlagen Sie die Zeitung auf, Sie werden täglich Beispiele finden.
Im letzten Jahr habe ich ausführlich begründet, warum sich das in Hessen so entwickelt hat und was es mit der Schieflage des kommunalen Finanzausgleichs und der strukturellen Unterfinanzierung der Gemeinden auf sich hat. Das werde ich heute nicht wiederholen. Aber ich sehe mich in meiner Position außerordentlich gestärkt durch den Aufschrei, der in den letzten Monaten durch die kommunale Familie Hessens gegangen ist. Auch viele Bürgermeister, Kämmerer und Landräte der CDU sind inzwischen auf den Barrikaden.
Dass der Finanzminister jetzt ein wenig eingelenkt hat, zeigt, dass die Proteste ihre Wirkung nicht ganz verfehlen, aber von einer auskömmlichen Finanzierung der Städte und Gemeinden sind wir noch weit entfernt. Nur umverteilen reicht nicht, wenn im Topf insgesamt zu wenig Geld ist!
So haben sich das die hessischen Verfassungsväter nicht gedacht. Sie haben damals den Gemeinden eine herausragende Rolle zugeschrieben.
Im Artikel 137 Hessische Verfassung heißt es: „Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet unter eigener Verantwortung die ausschließlichen Träger der gesamten örtlichen öffentlichen Verwaltung. […] Das Recht der Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten wird den Gemeinden vom Staat gewährleistet […].“
Abs. 5 führt dann dazu aus, dass der Staat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern hat. Er stellt ihnen für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung.
Das ist der rechtliche Rahmen, in dem wir uns bewegen. Interessanter noch ist, wie die Verfassungsgeber die staatspolitische Bedeutung des Gemeinderechts erklärt haben. Es gibt eine Vorlage der Hessischen Landesregierung aus dem Jahr 1951, die sich zu lesen lohnt:
Unter den Körperschaften des öffentlichen Rechts, […] nehmen die Gemeinden schon deshalb eine Sonderstellung ein, weil sie es sind, die auf dem breitesten Raum und pausenlos auf das Leben des Einzelnen einwirken. Wohnung, Ernährung, Beleuchtung, Verkehrsmittel und Verkehrswege, Hilfe in Krankheitsfällen und Not, Bildungsmöglichkeiten – auf allen diesen und anderen Gebieten begleiten die Werke gemeindlicher Tätigkeit den Einzelnen täglich und auf seinem gesamten Lebenswege. Keine öffentlich-rechtliche Organisation steht sonst dem Staatsbürger so nahe, keine ist für sein Wohlbefinden im täglichen Leben so entscheidend. Aber auch die konkreten Probleme der Staatsführung sind fast ohne Ausnahme im Keime in den Gemeinden vorhanden. […] Darum vollzieht sich auch die politische Willensbildung des gesamten Volkes vornehmlich in den Gemeinden. Hier werden nicht nur die Redeschlachten der Bürger untereinander ausgetragen, hier sprechen nicht bloß die Parteien unmittelbar den Staatsbürger mit gutem oder schlechtem Einfluss an – hier sammelt überhaupt der Bürger die Eindrücke und Erfahrungen, nach denen er den ganzen Staat beurteilt. Die Gemeinde bildet also – nicht nur organisatorisch, sondern was wichtiger ist, politisch – die Grundlage für jede Staatspolitik, für jeden Staatsaufbau; sie kann Kraftquelle für den Staat, sie kann ebenso gut Ausgangspunkt für seinen allgemeinen Niedergang sein. So betrachtet, ist tatsächlich – das ist nicht eine bloße Phrase – die Gemeinde die „Zelle des Staates“. [und noch ein bisschen pathetischer] Die Kraft freier Völker ruht wesentlich in der Gemeinde, und die Kommunalverwaltung soll die Freiheit im Volke verankern.
Warum trage ich das vor? Nicht aus nostalgischen Gründen, sondern weil sich hier zeigt, was wir aufgeben, wenn wir unsere Gemeinden nicht so ausstatten, dass sie ihre Aufgaben in freier Entscheidung erfüllen können.
In Hessen macht sich stattdessen Frustration breit. Ein Beispiel möchte ich zitieren. Daniela Leß, meine Nidderauer Kollegin hat das in ihrer Haushaltsrede kürzlich so auf den Punkt gebracht:
„Wie sich die Zeiten doch ändern: Im Jahr 1996 war ich erstmals dabei bei einer Klausurtagung der SPD-Fraktion zum Haushalt 1997. Das war damals noch die Zeit der Kameralistik – und der ausgeglichenen Haushalte. Über zwei Tage hinweg wurde damals diskutiert, was die richtige Ausrichtung für unsere Stadt ist und was man politisch gerne auf den Weg bringen möchte. In den letzten Jahren verkürzte sich die Tagung dann bereits auf nur noch einen Tag. Dies aber nicht, weil es keine Ideen mehr gäbe. Vielmehr haben sich die Haushaltsberatungen mehr und mehr zu Sparrunden entwickelt, in denen überlegt wird, wo man noch Geld sparen könnte und welchen Belastungen man noch schweren Herzens zustimmen muss. In diesem Jahr schließlich reichte ein Nachmittag aus, um über die Haushaltslage für 2015 zu sprechen. Der Spaß an politischen Diskussionen und das Ringen um die Gestaltungshoheit haben sich längst in eine notwendige Pflichterfüllung gewandelt: Wo sparen wir noch? Welche Abgaben müssen jetzt – in Erfüllung der Vorgaben des CDU-Innenministers – erhöht werden? Welche Beschränkungen sind den Bürgerinnen und Bürgern noch zuzumuten?“
Vor diesem Hintergrund liegt nun der Haushalt 2015 zur Entscheidung auf dem Tisch. Mit einem Defizit, das ich eingangs benannt habe. Der laufende Betrieb finanziert sich nicht selbst, obwohl alle Gebührenhaushalte längst kostendeckend gestaltet sind und die Personal- und Sachausgaben in der Verwaltung oder im Bauhof völlig im Rahmen liegen. Fast alle Gebührenhaushalte, muss man einschränkend sagen.
Denn unser größtes Problem steckt – wie in vielen Gemeinden – in den Aufwendungen für die Kinderbetreuung, die durch die Einnahmen und Zuweisungen bei weitem nicht hinreichend gedeckt sind. Allein in der U3-Betreuung beläuft sich unser Defizit auf 326.000 Euro, in allen drei Einrichtungen zusammen gibt es eine Lücke von 1,25 Millionen Euro. Das ist das Dreifache des diesjährigen Haushaltsdefizits.
Den Eltern können und wollen wir diese Kosten nicht aufbürden. Schon mit dem sukzessiv steigenden Beitrag, den sie zukünftig zu leisten haben, sind die Möglichkeiten vieler Familien aufs Äußerste angespannt.
Also muss die Gemeinde den immensen Fehlbetrag in U3, Kindergarten und Hort aus eigener Kraft schultern, solange die staatlichen Zuwendungen nicht dem Konnexitätsprinzip folgen. Denn leider bezahlt hier nicht, wer bestellt hat.
Der Bürgermeister hat bei der Einbringung des Haushalts die Situation in diesen Einrichtungen dargestellt und die hohe Qualität unseres Angebotes zurecht betont. Dabei ist deutlich geworden, dass wir an einigen Punkten über den gesetzlichen Auftrag hinausgehen. Man könnte sich also Einsparungen vorstellen, aber
erstens wollen wir das nicht – in der SPD-Fraktion sind wir uns einig, dass das erstklassige Angebot für unsere Kinder genau unserem Auftrag entspricht und ein unverzichtbarer „Standortfaktor“ im regionalen Wettbewerb ist –
und zweitens könnte auch mit den Leistungseinschränkungen, die der Bürgermeister angedeutet hat, das Millionendefizit nur angekratzt werden.
Angesichts der Herausforderungen allein in diesem Bereich ist es schon erfreulich, wieviel Positives der Haushaltsentwurf des Gemeindevorstandes aufweist, das unsere Unterstützung verdient:
- Das um ein Drittel gesunkene Defizit habe ich eingangs schon angesprochen. Der Konsolidierungspfad wird eingehalten und der Haushaltsausgleich ist in Sicht. Der Haushalt erfüllt die Vorgaben der Finanzaufsicht zur Haushaltskonsolidierung und zur Netto-Neuverschuldung. Wir rechnen daher fest mit einer unkomplizierten Genehmigung.
- Die Gemeinde entwickelt sich dynamisch weiter und nutzt dabei beispielhaft die Chancen der interkommunalen Zusammenarbeit mit umliegenden Gemeinden. Das „Paradeprojekt“ ZWIGL (interkommunales Gewerbegebiet Limes) macht große Fortschritte. Das erste große mittelständische Unternehmen hat seinen Kaufvertrag unterzeichnet. Weitere werden in absehbarer Zeit folgen. Hier entstehen neue Arbeitsplätze, und für unsere zukünftige Einnahmesituation ist das neu angesiedelte Gewerbe von allergrößter Bedeutung. Wir können zukünftig mit höheren Gewerbesteuereinnahmen rechnen.
- Der Ortskern von Marköbel steht vor entscheidenden Schritten zu einer beispielgebenden Innenentwicklung. Das Senioren-Wohnprojekt „Haus Hammersbach“ steht vor dem Baubeginn und in der Dorferneuerung wird die Umgestaltung des Martin-Luther-Hauses einen ersten Akzent setzen. Die Gemeinde hat dazu konsequent und erfolgreich alle Möglichkeiten genutzt, um für die örtlichen Vorhaben zahlende Partner zu gewinnen. Ohne die Unterstützung des Landes oder des Kreises wären solchen Vorhaben nicht möglich. Man muss aber, um solche Geldgeber zu gewinnen, interessante, beispielhafte, zukunftsfähige Projekte präsentieren. Das ist gelungen, und große Verdienste hat sich dabei Bürgermeister Michael Göllner erworben. Danke dafür, Herr Bürgermeister.
Wenn uns solche Projekte gelingen, wenn wir in der Kinderbetreuung mit hoher Qualität Vorbildliches leisten, wenn der Haushaltsausgleich in absehbarer Zeit möglich ist, dann könnte man natürlich fragen: was meckert die SPD noch am kommunalen Finanzausgleich herum?
Das hat einen einfachen Grund. Unsere Aussichten auf eine Konsolidierung des Haushaltes sind gestiegen, weil wir das Geld, das uns durch den kommunalen Finanzausgleich vorenthalten wird, bei den Bürgern der Gemeinde eintreiben – nicht wollen, aber müssen!
Wir erreichen die Konsolidierung vor allem über höhere Erträge. Und dazu werden wir ausdrücklich aufgefordert. Der Landesgesetzgeber hält die Kommunen unnachgiebig an, die Einnahmepotenziale zu erhöhen.
Dem folgen wir bei der Gewerbesteuer, bei der Grundsteuer B und bei den Elternbeiträgen in den Kindertagesstätten. Dabei bewegen wir uns möglichst an der geforderten Unterkante, aber ausweichen können wir nicht, wenn der Innenminister – wie im Falle der Grundsteuer B – die Haushaltsgenehmigung für defizitäre Kommunen ausdrücklich davon abhängig macht.
Die Gemeindevertreter und Stadtverordneten in Hessen müssen auf Druck der CDU-geführten Landesregierung in ihren Kommunen die Steuern erhöhen, während die Vertreter der gleichen Partei in Bund und Land Steuerhöhungen für einige wenige, besonders wohlhabende Bürger nachdrücklich ablehnen. Hier werden die Reichen geschont, die Masse darf die Zeche zahlen und wir werden als Handlanger missbraucht. Dieser Skandal prägt auch unseren Haushalt mit. Mein Zorn darüber verraucht auch nicht, wenn ich die positiven Aspekte unseres Haushaltes abschließend noch einmal betone.
Hammersbach hat, so wie es aufgestellt ist, eine gute Chance, im regionalen Wettbewerb zu bestehen und die Herausforderungen des demographischen Wandels zu meistern.
Wir wissen, dass junge wie alte Menschen sich in Hammersbach aufgehoben fühlen und gerne hier leben. Mit den genannten Projekten tragen wir dazu bei, dass das so bleibt.
Wir wissen, dass der Gemeindevorstand sparsam handelt. Es gibt keine unsinnigen Ausgaben, keinen Luxus und Sparsamkeit auch im Kleinen.
Wir wissen, dass die Frage „Muss das sein?“ jede Ausgabendiskussion bestimmt.
Deshalb lautet unser Fazit: Der Haushalt 2015 spiegelt das, was die Gemeinde zur Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger leistet.
Das ist nicht nur das Notwendige, es ist auch richtig und zukunftsweisend. Alle Generationen profitieren davon, in besonders hohem Maße unsere Kinder. Zugleich wird die Konsolidierungsperspektive hartnäckig weiter verfolgt.
Die SPD-Fraktion stimmt daher dem Haushalt für 2015 zu.
Den Mitarbeitern der Verwaltung, insbesondere Frau Otto und Frau Schutt, allen Kolleginnen und Kollegen des Gemeindevorstandes und Bürgermeister Michael Göllner danken wir herzlich für ihre geleistete Arbeit.
Hier finden Sie den Bericht des Hanauer Anzeigers. Eine Anmerkung dazu wollen wir uns nicht verkneifen: In der gleichen Ausgabe des Hanauer Anzeigers war zu lesen, dass in der Stadt Maintal der Hebesatz für die Grundsteuer auf 545 Punkte angehoben wurde. Hätte das auch die Hammersbacher Gemeindevertretung beschlossen, dann wäre – auf Kosten der zahlenden Bürger – das Defizit im Haushalt schon in diesem Jahr fast vollständig abgeschmolzen. Das ist nicht die Politik der Hammersbacher SPD!