Kommunen in Finanznot

Dass die Finanzprobleme vieler Gemeinden in Hessen keineswegs nur hausgemacht sind, wurde jetzt bei einem Vortrag von Dr. Kai Eicker-Wolf vom Deutschen Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen in Hammersbach deutlich. Die Hammersbacher Sozialdemokraten hatten dazu eingeladen, weil Eicker-Wolf für ver.di eine viel beachtete Studie über die kommunalen Finanzen in Hessen erstellt hatte, von der man sich nun einen Beitrag „zur Erhellung der Lage“ erhoffte.

Eicker-Wolf betrachtete mit beeindruckenden Zahlen die hessische Finanzentwicklung vom Beginn der neunziger Jahre bis 2013. Dabei griff er auf Daten des Statistischen Bundes- und Landesamts und weitere öffentlich zugängliche offizielle Quellen zurück.

Zunächst zeigte er die bundesweite Entwicklung der Staatsausgaben und -einnahmen und stellte einen internationalen Vergleich von Staatsquote, Bildungsausgaben und Investitionsquoten an. Dabei zeigte sich entgegen mancher Erwartung, dass der deutsche Staat Vizeweltmeister im Sparen ist und mit einer vergleichsweise niedrigen Staatsquote glänzen kann. Auch der öffentliche Dienst ist im internationalen Vergleich personell eher schwach ausgestattet. Solche „Erfolge“ sind aber mit handfesten Nachteilen verbunden, wie Eicker-Wolf zeigen konnte. So sind etwa die deutschen Bildungsausgaben bemerkenswert niedrig und die Investitionen von Bund, Ländern und Gemeinden seit Beginn der 90er Jahre im Sturzflug. Insbesondere die Städte und Gemeinden sind zu nötigen Investitionen nicht mehr in der Lage. Eicker-Wolf führte das zu einer ersten Bewertung der Lage: „Die öffentliche Hand ist – gemessen an den zu erfüllenden Aufgaben – in Deutschland strukturell unterfinanziert.“

Die Lage der Kommunen in Hessen stelle sich besonders dramatisch dar, so Eicker-Wolf. Mehr als deutlich zeige sich das am sprunghaften Anstieg der Kassenkredite auf mittlerweile über sechs Milliarden Euro. Ursprünglich waren sie für kurzfristige Liquiditätsengpässe gedacht, inzwischen aber dienen sie der langfristigen Finanzierung der kommunalen Defizite. „So eine schlechte Entwicklung weist kein anderes Bundesland auf.“ Mit anderen Worten, den Städten und Gemeinden fehlen die Mittel für die laufende Verwaltung. Nicht, weil die Gemeinden über ihre Verhältnisse gelebt hätten. „Keineswegs wurde das Geld aus dem Fenster geworfen, das ist einfach nicht wahr“, betonte Eicker-Wolf. Es gebe keine Zahlen, die etwas anderes beweisen würden. Im Gegenteil, die Kommunen haben ihre Ausgaben von 1994 bis 2008 konsequent zurückgefahren. Das gilt in Hessen auch für die investiven Ausgaben, die kontinuierlich zurückgingen. Eine Ausnahme gab es nur ab 2009, weil damals die Konjunkturpakete für einen Investitionsschub sorgten.

Auch eine andere Entwicklung sei in Hessen bedenklich: Das Land habe den Kommunalen Finanzausgleich, die wesentliche Einnahmequelle der Städte und Gemeinden, ab 2011 um jährlich 344 Mio. € gekürzt, erinnerte Eicker-Wolf. Durch den sogenannten Schutzschirm werde zwar – nachdem Geld entzogen wurde – wieder solches in die kommunalen Kassen zurückgeleitet. Allerdings bringe der Schirm nur eine Entlastung im Zinsbereich, für den laufenden Betrieb ändere er wenig, meinte Wolf. Um alle Leistungen zu erbringen, die von ihnen erwartet würden, fehlten den Kommunen die Mittel. Die These von der strukturellen Unterfinanzierung sei insbesondere auch in Hessen gültig. Für die finanzielle Not der Kommunen machte Eicker-Wolf vor allem die Steuerreformen seit 1998 verantwortlich, die Großverdiener und Unternehmen massiv entlasteten. Sie führten zu Einnahmeausfällen von vielen Milliarden Euro allein Hessen.

Hier knüpften dann auch die Diskussionsbeiträge der anwesenden Bürgermeister und Kommunalpolitiker an, die angesichts des Themas von Ronneburg bis Roßbach vor der Höhe angereist waren. Sie beklagten, dass in der Berliner großen Koalition die CDU für jede Steuererhöhung ein Denkverbot durchgesetzt habe, während nun die Gemeinden gezwungen würden, Gebühren und Steuern für ihre Bürger zu erhöhen und Leistungen einzuschränken. Das treffe letztlich alle Bürger unabhängig von Leistungsfähigkeit und Einkommen. Dass jetzt in den Medien wieder von Rekordeinnahmen des Staates die Rede sei, erwecke einen falschen Eindruck. Der Ausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gelinge nicht. Die Schere zwischen wirtschafts- und finanzstarken Städten und armen Kommunen öffne sich weiter. Gerade die schwächsten müssten weiter an der Gebühren- und Abgabenschraube drehen und verlören dadurch weiter an Attraktivität. Die gerichtlich erzwungene Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs, so die Hoffnung, müsse das Land mehr in die Pflicht nehmen und zumindest an diesem Punkt Verbesserungen zugunsten der Kommunen bringen.

Für den Referenten Dr. Eicker-Wolf wäre das nur ein Schritt in die richtige Richtung. Er sprach sich für die Stärkung der kommunalen Einnahmebasis durch eine anders ausgerichtete Steuerpolitik aus. „Steuererhöhungen an der richtigen Stelle“ seien nötig. Eicker-Wolf sprach sich für eine Weiterentwicklung der Gewerbe- zu einer Gemeindewirtschaftssteuer aus und forderte die Wiedererhebung einer Vermögenssteuer. Schon eine Vermögenssteuer mit einem Satz von einem Prozent bringe dem Land Hessen rund 1,5 Milliarden Euro. Die hessischen Kommunen würden nach derzeitigem Rechtsstand automatisch mit 350 Millionen Euro profitieren.

Das von Dr. Eicker-Wolf in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Achim Truger (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) erarbeitete 53-seitige Zahlenwerk zum Thema „Kommunalfinanzen Hessen“ gibt es zum Download kostenlos im Internet unter: http://gemeinden-hessen.verdi.de/themen/kommunalfinanzen-hessen

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