SPD trägt Haushalt 2014

Mit 12 Stimmen der SPD-Fraktion gegen 5 Stimmen der CDU beschloss die Gemeindevertretung den Gemeindehaushalt für das Jahr 2014. Den Parlamentariern lagen neben dem Haushaltsentwurf des Gemeindevorstandes noch einige Anträge des Gemeindevorstandes sowie vier Anträge der CDU-Fraktion vor.

Alle Anträge des Gemeindevorstandes wurden einstimmig beschlossen. Ebenso positiv beschieden wurde einer der CDU-Anträge. Ein weiterer wurde dem Bau- und Planungsausschuss wegen noch offener Fragen zur Beratung weitergeleitet. Strittig blieb der wiederholte Antrag der CDU, „Energie aus Wildpflanzen“ weiter zu fördern. Der Antrag fand ebenso wenig die Zustimmung der SPD wie der Versuch der CDU, die Änderungen der Gebührensatzung für die Benutzung der Kindergärten zu verhindern.

Fraktionsvorsitzender Wilhelm Dietzel begründete nach der Abstimmung über die Einzelanträge die Zustimmung der SPD zum Haushalt. Dabei verteidigte er ausdrücklich auch die Erhöhung der Kindergartengebühren. Seine Etat-Rede dokumentieren wir im Folgenden.

Einen Link zum Bericht des Hanauer Anzeigers finden Sie ebenfalls am Ende des Textes.

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren,wir befinden heute Abend über einen Haushalt, der einerseits in allen uns wesentlichen Punkten das widerspiegelt, was wir mit Blick auf die kommunale Aufgabenerfüllung und die Daseinsvorsorge für unsere Bürger für notwendig und richtig halten, der uns aber andererseits mit einem Defizit von 611.000 € und einem enormen Konsolidierungsdruck konfrontiert. Letzteres ist bitter und setzt uns unter Handlungszwänge, die einem die Zustimmung zum Haushalt nicht gerade leicht machen. Hier meine ich vor allem die Gebührenerhöhungen für die Kinderbetreuung.

Ich möchte deshalb noch einmal das herausstreichen, was ich auch schon in den vergangenen Haushaltsberatungen betont habe (auch wenn die Kollegen von der CDU-Fraktion das nicht gerne hören mögen): Unter den gegebenen Bedingungen haben die strukturell unterfinanzierten Kommunen keine realistische Chance, gleichzeitig ihre Aufgaben zu erfüllen und ihre Haushalte zu konsolidieren. Es gibt eine erhebliche Diskrepanz zwischen den nötigen Einnahmen und den erforderlichen Ausgaben. Das gilt auch für Hammersbach.

Wenn wir unsere Haushalte aus eigener Kraft konsolidieren wollen, dann haben wir nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Die nötige Sparsamkeit in der Verwaltung und im Umgang mit ihren Ressourcen haben die meisten Kommunen in Hessen längst ausgereizt. Deshalb müssen sie entweder die Bürger höher belasten oder Leistungen der Gemeinde für die Bürger zurückfahren. Die Kommunen begeben sich damit in einen Negativwettbewerb um abnehmende Attraktivität, Wohn- und Lebensqualität. Die Leistungen werden dürftiger und dringend nötige Infrastrukturinvestitionen werden nur unzureichend vorgenommen. Das nennt man „kaputt sparen“.

Zu befürchten ist, dass dieser Negativwettbewerb auch volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet. Die Kinderbetreuung zum Beispiel ist ja kein Selbstzweck. Zum einen müssen die Eltern, die arbeiten gehen und Steuern bezahlen, wissen, dass Ihre Kinder gut untergebracht sind. Das gilt insbesondere für hochqualifizierte junge Frauen, die wir auf dem Arbeitsmarkt dringend brauchen. Genauso gilt unsere Verantwortung auch den Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Zum anderen wollen wir ja den Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan umsetzen. Das heißt, wir brauchen Qualität in den Einrichtungen, um über die bloße Betreuung hinaus Bildung von Anfang an zu ermöglichen. Das kostet nun mal Geld und deshalb ist es wichtig, die Gemeinden solide zu finanzieren.

Man muss nur die Zeitung aufschlagen, um täglich die entsprechenden Meldungen aus den Haushaltsberatungen der Städte und Gemeinden zu lesen. Ich verzichte auf einschlägige Zitate, weil ich später noch andere Zeugen anführen möchte, um zu belegen, dass die schwierige Lage, in der wir uns befinden, strukturellen Bedingungen geschuldet ist, und nicht dem Versagen besonders unfähiger Kommunalpolitiker. Dabei ist es völlig unwichtig, welche politische Mehrheit lokal jeweils verantwortlich ist. Die Kommunen sitzen alle in der gleichen Tinte. Die schwierige Finanzlage der hessischen Kommunen ist nicht hausgemacht! Auch und geradenicht hier bei uns in Hammersbach.

Der laufende Betrieb finanziert sich nicht selbst, auch wenn wir – bis auf einen Bereich – alle Gebührenhaushalte kostendeckend organisiert haben. Das liegt nicht an überbordend vielen Personal- oder Sachausgaben in der Verwaltung oder im Bauhof. Es sind unsere Aufwendungen der Kinderbetreuung, die uns die größten Sorgen machen und die durch Steuereinnahmen und Zuweisungen bei weitem nicht hinreichend gedeckt sind.

So betragen unsere Nettoausgaben für eine neue Pflicht-Aufgabe (U3-Betreuung) 340.000 €. Die Nettoausgaben für den Hort liegen bei 300.000 €. Der Zuschuss aus der Gemeindekasse für die Kinderbetreuung insgesamt summiert sich auf 1,2 Millionen €. Das ist das Doppelte des diesjährigen Haushaltsdefizits. Diese Kosten könnten die Eltern niemals alleine tragen. Schon mit dem Beitrag, den sie zukünftig zu leisten haben, sind die Möglichkeiten vieler Familien aufs Äußerste angespannt. Aber auch für die Gemeinde gibt es keine Chance, diese Ausgaben aus eigener Kraft zu schultern, wenn sich nicht ihre Einnahmesituation auf Dauer bessert. Das ist auch der Grund dafür, dass wir das Ziel einer für die Familien kostenfreien Kinderbetreuung nicht aus dem Auge verlieren, aber zugleich wissen, dass die gegebenen Rahmenbedingungen das derzeit nicht hergeben.

Das ist die Lage in Hammersbach. Aber wir sind nur ein Beispiel unter vielen. Die aktuellsten Belege für die angespannte bis katastrophale Lage der hessischen Kommunen finden sich im „Kommunalbericht 2013“ des Landesrechnungshofs vom 27. November 2013 und im ebenso aufschlussreichen „Kommunalfinanzbericht 2013“ von Verdi.

Werfen wir zunächst einen kurzen Blick in das Werk des Landesrechnungshofs. In 36 der 37 geprüften Gemeinden bestanden Rückstände bei der Aufstellung und Prüfung der Jahresabschlüsse. Damit fehlten notwendige Grundlagen für die strategische Steuerung, so dass bei politischen Entscheidungen auf unvollständige Daten zurückgegriffen werden musste. […] Bei 35 der 37 Gemeinden war die Haushaltslage im Prüfungszeitraum kritisch oder konsolidierungsbedürftig. Keine der 37 Gemeinden hatte einen stabilen Haushalt. Die Schuldenbelastung der geprüften Gemeinden stieg im Prüfungszeitraum von 143 Millionen Euro um 91 Millionen Euro auf 234 Millionen Euro deutlich an. Die Darlehen im nicht investiven Bereich, namentlich die Kassenkredite, hatten sich von 27 Millionen Euro um 40 Millionen Euro auf 67 Millionen Euro mehr als verdoppelt. 16 der 37 Gemeinden stellten einen Antrag auf Aufnahme unter den Kommunalen Schutzschirm.“

Interessant ist, welche „Ergebnisverbesserungspotenziale“ der Landesrechnungshof sieht. Zunächst nämlich „bei den Hebesätzen der Realsteuern. Die kleinen Gemeinden wiesen durchweg relativ geringe Hebesätze bei der Grundsteuer B (Median 280 Prozent) und der Gewerbesteuer (Median 310 Prozent) auf.“ Die Gemeinden sollen also zuerst einmal ihre Steuern erhöhen! Es ist ein Skandal, dass eine bedeutende Partei in Bund und Land Steuerhöhungen für einige wenige, besonders wohlhabende Bürger nachdrücklich ablehnt – und dass zugleich die CDU-geführte Landesregierung die Kommunen mit Hochdruck dazu anhält, die kommunalen Steuern zu erhöhen. Hier werden die Reichen geschont und die Masse darf die Zeche zahlen.

Dann fällt dem Rechnungshof ins Auge, dass „die Größe der Gemeinde grundsätzlich Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Inneren Verwaltung“ hat. „Die Innere Verwaltung kleinerer Gemeinden ist aufgrund von größenunabhängigen Grundbedarfen je Einwohner personalintensiver und damit kostenungünstiger als in größeren Gemeinden.
16 Gemeinden versuchten Größennachteile auszugleichen, indem sie interkommunal zusammenarbeiten. Bei der kleinsten Gemeinde Hessens, Hesseneck, reichte selbst eine ausgeprägte Interkommunale Zusammenarbeit für einen ausgeglichenen Haushalt nicht aus. Hesseneck verfolgte deswegen das Ziel, sich mit Nachbargemeinden zu einer Verwaltungseinheit zusammenzuschließen. Die Überörtliche Prüfung regt an, derartige Zusammenschlüsse zu erleichtern und die bestehenden Anreizsysteme für freiwillige Zusammenschlüsse zu konkretisieren. Was für eine Hoffnung! Denn auch die größeren Städte in Hessen haben ihre Millionendefizite und das größte hessische System, das Land, hat es mit einem Millardendefizit zu tun.

Die Studie von Verdi sieht vor allem zwei Indikatoren für die mehr als bedenkliche Entwicklung in Hessen: Erstens, die Investitionen sind auf Talfahrt. Von einer expansiven Ausgabenpolitik der Kommunen als Grund für ihre Misere kann keinesfalls die Rede sein. Die Ausgabenquote der hessischen Kommunen sinkt seit 1994! Da wird es schwer, eine gute Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Zweitens, die Kassenkredite sind erneut sprunghaft angestiegen. Sie belaufen sich in Hessen inzwischen auf über 7 Milliarden € (1996 lagen sie noch bei einer halben Milliarde). Pro Kopf betrachtet hat sich Hessen in eine kleine Spitzengruppe der Bundesländer katapultiert. Über die Hintergründe für diese Entwicklung lassen sich die Verdi-Autoren auf vielen Seiten detailliert aus. Interessant ist das Fazit der Studie:

„Der finanzpolitische Spielraum und damit die Handlungsfähigkeit der Kommunen in Hessen werden in den nächsten Jahren wesentlich von der Entwicklung der Staatseinnahmen bestimmt werden. Letztere hängt einerseits von der konjunkturellen Entwicklung, andererseits von steuerpolitischen Beschlüssen auf der Bundesebene ab. Je besser die Konjunktur sich entwickelt und je größer die auf Bundesebene beschlossenen strukturellen Einnahmenverbesserungen für Länder und Kommunen, desto größer wird der Spielraum der hessischen Kommunen ausfallen.“ (S. 33) „Ohne einen steuerpolitischen Paradigmenwechsel, der durch höhere steuerliche Beiträge von reichen  Haushalten und Unternehmen die Finanzkraft der öffentlichen Hand substanziell stärkt, wird die finanzielle Lage der Kommunen ‚angespannt‘ bleiben.“ (aus der Kurzfassung der Studie in HLZ 12/2013, S23)

Ich habe das alles angeführt, um es noch einmal deutlich zu machen: Die Kommunen sitzen alle in der gleichen Tinte. Die schwierige Finanzlage der hessischen Kommunen ist nicht hausgemacht! Erst wenn dem Konnexitätsprinzip, das in der hessischen Verfassung verankert ist, endlich Geltung verschafft wird, bekommen die Gemeinden wieder Luft, ihre Aufgaben zu erfüllen und gleichzeitig ihre Haushalte zu konsolidieren. Dafür sollten wir uns alle gemeinsam in unseren Parteien stark machen.

Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen ist der Haushalt 2014 aus unserer Sicht ein Schritt auf dem Konsolidierungspfad, den wir beschlossen haben, um in einigen Jahren wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen.

Die SPD-Fraktion hat den Entwurf des Haushalts wie immer sorgsam und intensiv beraten. Um die Arbeit des Gemeindevorstandes und der Verwaltung bewerten zu können, haben wir uns an die Aufgabenkritik gemacht, d.h. wir haben uns gefragt, ob wir uns in Hammersbach Unnötiges, Falsches, zu Teures, gar Luxuriöses leisten. Wir haben uns auch gefragt, ob wir unsere Einnahmequellen nicht ausreichend ausgeschöpft haben. Sind eventuell Gebührenhaushalte nicht ausgeglichen? Sind gemeindliche Steuern zu niedrig angesetzt? Müssen sie erhöht werden?

Aus unserer Sicht können diese Fragen positiv beantwortet werden. Der Haushalt ist sparsam angelegt. Wir finden nichts Unnötiges und schon gar keinen Luxus. Die Gebührenhaushalte sind – mit Ausnahme der Einrichtungen für unsere Kinder – ausgeglichen. Die Gemeindesteuern befinden sich auf einem Niveau, das wir ohne Not auf keinen Fall überschreiten möchten, auch wenn wir damit unter dem Kreisdurchschnitt liegen. (Ob wir das so halten können, ist allerdings fraglich, wenn man die Konsolidierungsleitlinien des hessischen Innenministers kennt. Diese verlangen, dass defizitäre Kommunen mit ihren Hebesätzen nicht unter dem Durchschnitt liegen dürfen. Damit ist seit einigen Jahren eine Erhöhungsspirale in Gang gesetzt worden, deren Ende nicht abzusehen ist. Unser Grundsteuerhebesatz von 300 liegt schon wieder unter dem Kreisdurchschnitt und mit dieser Haushaltsrunde geht auch die nächste Erhöhungswelle wieder los.)

Wir sehen im Haushaltsentwurf des Gemeindevorstandes darüber hinaus sehr viel Positives, das unsere Unterstützung verdient:

– Die Gemeindeentwicklung geht weiter mit großer Dynamik voran, und das in beispielhafter interkommunaler Zusammenarbeit mit umliegenden Gemeinden. Leider wurde uns ein wichtiges, auch für den Haushalt bedeutsames interkommunales Projekt vorerst aus den Händen geschlagen (WEA). Dafür geht es mit dem interkommunalen Gewerbegebiet Limes jetzt bald auch sichtbar voran.

– Hammersbach besteht auf einem quantitativ wie qualitativ herausragenden Angebot in der Kinderbetreuung. Von den Öffnungszeiten bis zu den pädagogischen Konzepten sind die Angebote, wie es der Bgm. in seiner Einbringungsrede formuliert hat, „Standortfaktor“, „Aushängeschild“, kurz ein „Segen“ für die Familien. Wir tragen es daher ausdrücklich mit, dass die hohen Standards gewahrt werden, auch wenn sich dafür die Beiträge der Eltern erhöhen müssen. Richtig ist es auch, das Angebot immer wieder zu überprüfen und flexibel zu halten. Die Schließung einer Hortgruppe folgt vernünftigerweise dem sinkenden Bedarf in diesem Bereich.

– Hammersbach nutzt konsequent und erfolgreich seine Möglichkeiten, um für die örtlichen Vorhaben zahlende Partner zu gewinnen. Das gilt besonders für die Dorferneuerung und das Senioren-Wohnprojekt. Ohne die Unterstützung des Landes oder des Kreises wären wir mit solchen Vorhaben sicherlich überfordert.

Unser Fazit lautet daher: Dieser Haushalt setzt in allen wichtigen kommunalpolitischen Aufgabenfeldern das Nötige um.

Wir stehen für Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungseinrichtungen von hoher Qualität. Wir stehen für das interkommunale Gewerbegebiet als Beitrag zur Wirtschaftskraft und Infrastruktur, mit neuen Arbeitsplätzen und neuen Steuerquellen. Wir stehen für das Dependance-Modell zur Pflege älterer Menschen in unserer Mitte. Wir stehen für Dorferneuerung und Innenentwicklung und begrüßen als ersten Schritt die Umgestaltung des Ensembles um das Martin-Luther-Haus und das historische Rathaus Marköbel. Wir stehen für die nötigen Investitionen für eine gesicherte Wasserversorgung Langen-Bergheim. Auf diese Weise haben wir eine gute Chance, im regionalen Wettbewerb zu bestehen und die Herausforderungen des demographischen Wandels zu meistern. Bis jetzt gelingt das unserer Gemeinde gut. Wir wissen, dass junge wie alte Menschen sich in Hammersbach aufgehoben fühlen und gerne hier leben. Mit den genannten Projekten tragen wir dazu bei, dass das so bleibt.

Wir wissen zu schätzen, dass der Gemeindevorstand sparsam handelt. Die Sachausgaben und die Personalausstattung in der Verwaltung bleiben im Rahmen. Es gibt keine unsinnigen Ausgaben, erst recht keinen Luxus, und es gibt die Sparsamkeit auch im Kleinen. Wir wissen, dass die Frage „Muss das sein?“ jede Ausgabendiskussion begleitet.

Fassen wir soweit zusammen: das, was die Gemeinde zur Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger leistet, ist nicht nur notwendig, es ist auch richtig und zukunftsweisend. Alle Generationen profitieren davon, in besonders hohem Maße unsere Kinder. Zugleich wird die Konsolidierungsperspektive hartnäckig weiter verfolgt.

Die SPD-Fraktion stimmt dem daher dem Haushalt für 2014 zu. Zugleich danken wir den Mitarbeitern der Verwaltung, insbesondere Frau Otto, den Kolleginnen und Kollegen des Gemeindevorstandes und Bürgermeister Michael Göllner für ihre geleistete Arbeit.

Wilhelm Dietzel, SPD-Fraktionsvorsitzender

 

Hier finden Sie den Bericht des Hanauer Anzeigers.

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