Herzlichen Glückwunsch, Frau Vorsitzende

Die langjährige Vorsitzende der Gemeindevertretung, Ursula Dietzel, feierte ihren 70. Geburtstag und der Hanauer Anzeiger nahm das zum Anlass für einen längeren Beitrag von Jan-Otto Weber. Wir freuen uns über das gelungene Portrait unserer Parteifreundin und gratulieren ihr ganz herzlich!


Hammersbach: Die erste Bürgerin der Gemeinde Ursula Dietzel feiert Geburtstag

Fachwerkhäuser sind in Marköbel keine Seltenheit. Aber außerhalb des alten Ortskerns? „Wir sind beide hier in Marköbel geboren“, klärt Ursula Dietzel auf. „Unsere Elternhäuser waren alte Fachwerkhäuser. Als wir Anfang der 80er Jahre gemeinsam eins kaufen wollten und keins gefunden haben, kam die Idee auf, ein Neues zu bauen.“

Hammersbach – Der Gedanke kam nicht von ungefähr, denn im Stammbaum der Dietzels gibt es seit Jahrhunderten Zimmerleute. Eine Tradition, die ein Onkel von Ursulas Ehemann Wilhelm Dietzel in seinem ortsansässigen Zimmereibetrieb fortsetzte. Auch das Grundstück An der Schafwiese war schnell gefunden: Der Onkel hatte es vor Jahren der Familie Dietzel abgekauft – der Herkunftsfamilie von Wilhelm Dietzel.

Tradition spielt bei Dietzels eine große Rolle

Tradition, Familienbande, Ortsgeschichte – am Beispiel des Hausbaus, bei dem das junge Paar seinerzeit selbst kräftig anpackte, wird die Verbundenheit der Dietzels mit Marköbel und Hammersbach deutlich. „Wir kennen uns schon seit Kindesbeinen, sind seit Jugendzeiten zusammen“, erzählen die beiden beim Gespräch im Esszimmer ihres großräumigen, aber gemütlichen Fachwerkhauses. So machten sie als junge Leute gemeinsam Dienst in der damaligen Gaststätte des TV Marköbel und bewirteten den Sonntagsstammtisch, an dem allerhand „verhandelt“ wurde. Beide kommen aus politischen Elternhäusern. Die Familie Stroh, aus der eine Großmutter von Wilhelm Dietzel stammte, stellte über 100 Jahre (bis 1918) die Bürgermeister in Marköbel. Wilhelm Dietzels Vater war für die CDU in der Gemeindevertretung und im Gemeindevorstand tätig.

Auch am Wohnsitz der Familie Möller, in der Untermühle an der Hauptstraße, wurde diskutiert. Das lag nicht zuletzt an Ursula selbst, die schon als Jugendliche andere Vorstellungen hatte als ihr Vater, der für den Bürgerblock Hammersbach (BBH) in den Gemeindegremien aktiv war. „Den Spruch ‘Frauen können das nicht’ habe ich noch nie akzeptiert“, betont Ursula Dietzel, die am 28. März ihren 70. Geburtstag feiert.

Die erste Frau an der Spitze der Gemeindevertretung

Bei der SPD rannte sie mit dieser Haltung offene Türen ein. Früh setzte die Partei vor Ort auf den Ausbau der Kinderbetreuung und paritätisch besetzte Wahllisten. Mit der heutigen Ehrenbürgermeisterin Helga Meininger stellten die Sozialdemokraten von 1984 bis 2004 die erste Rathauschefin der Gemeinde und die zweite Bürgermeisterin überhaupt in Hessen.

Ursula Dietzel selbst ist seit dem Jahr 2001 die erste Frau, die der Gemeindevertretung Hammersbach vorsitzt, nachdem sie zuvor bereits vier Jahre als Beigeordnete im Gemeindevorstand tätig war. Ihr Mann Wilhelm führt seit 1986 die SPD-Fraktion.

„Wir hatten schon tolle Diskussionen hier am Tisch“, berichtet Wilhelm Dietzel lachend. „Bei manchen Familienfeiern war hier von der DKP bis zur CDU beinahe alles vertreten. Dennoch wurde es in Diskussionen nie persönlich.“

Ursula Dietzel besucht eine „Jungen-Schule“

Kurioserweise war es Ursula Dietzels Vater Wilhelm Möller, der im Jahr 2001 als Alterspräsident im Namen des Hohen Hauses seine Tochter nach der Wahl zur Gemeindevertretervorsitzenden ins Amt einführte. Beim anschließenden Umtrunk habe Bürgermeisterin Helga Meininger den Vater und damaligen BBH-Fraktionsvorsitzenden angesprochen, dass er jetzt sicher stolz sei. „Ich habe dann gesagt: ‘Ich geh mal weg, dann kann er antworten’“, erinnert sich Ursula Dietzel.

Schon dass das recht zierliche Mädchen nach der Volksschule auf Empfehlung des Lehrers aufs Gymnasium gehen sollte, hatte nicht die Zustimmung des Vaters gefunden. Auch den von Ursula angestrebten Besuch der Ludwig-Geißler-Schule, der „Jungen-Schule“ mit ihren technischen Bildungsgängen, lehnte er seinerzeit ab. So ertrotzte sich die junge Frau wenigstens eine kaufmännische Schulbildung und bewarb sich später – heimlich – bei der Vacuumschmelze zur Ausbildung als Chemielaborantin. Ihre Mutter weihte sie ein, als sie in Begleitung eines Erziehungsberechtigten zum Bewerbungsgespräch erscheinen sollte.

Alle zehn Jahre die Branche gewechselt

Trotz der fehlenden technischen Vorbildung durfte sie mit sieben weiteren Bewerbern am Eignungstest teilnehmen. Aufgrund ihres hervorragenden Ergebnisses wurde sie als eine von zwei Bewerbern genommen – obwohl es ursprünglich nur eine einzige Ausbildungsstelle hatte geben sollen.

Nach der Ausbildung wechselte sie 1972 an die Goethe-Universität Frankfurt, wo sie in der Grundlagenforschung tätig war. „Wir diskutierten, ob es irgendwann einmal möglich sein würde, einen Frosch zu klonen“, lächelt sie rückblickend angesichts der heutigen Entwicklung in der Genforschung.

1981 und 1985 kamen die beiden Söhne zur Welt. Eine Rückkehr in die rasant voranschreitende Forschung, halbtags im fernen Frankfurt, war für die junge Mutter nicht mehr möglich. So arbeitete Ursula Dietzel zunächst im Büro der Eisen- und Metallgießerei E. G. Zimmermann („Marmor ist kein Luxus“) in Hanau und später als Verkäuferin von Uhren und Schmuck bei Christ.

Klare Linie und Konsequenz

Im Jahr 2003 stand dann der nächste Branchenwechsel zum Berufsbildungs- und Beschäftigungszentrum des Main-Kinzig-Kreises an – seit 2005 gemeinnützige Gesellschaft für Ausbildung, Qualifizierung und Arbeit, besser bekannt unter dem Kürzel „AQA“. Dietzel wirkte unter anderem beim Aufbau des Programms „Jump“ mit, um Jugendliche und junge Erwachsene, deren Lebensläufe Brüche aufwiesen, auszubilden, sie vor Langzeitarbeitslosigkeit zu bewahren und in feste Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. „Ich brauche Leute mit gesundem Menschenverstand“, habe ihr Chef damals gesagt.

„Ich habe eine klare Linie verfolgt“, erklärt Dietzel. „Wenn Absprachen nicht eingehalten wurden, gab es die angekündigten Sanktionen. Es war wichtig, konsequent zu sein.“ Gegenüber den Fallmanagern des Kommunalen Centers für Arbeit, die die teure Ausbildung genehmigen mussten, sei sie „als Anwalt der Teilnehmer“ aufgetreten, beschreibt Dietzel. Hunderte Menschen habe sie begleitet. „Einer unserer Auszubildenden hat später mal zu mir gesagt: ‘Sie haben mir den wichtigsten Arschtritt meines Lebens verpasst.’ Es war ein schöner Abschluss eines bewegten Berufslebens.“

Vielseitige Interessen auch im Privaten

Die Vielseitigkeit der Interessen spiegelt sich aber auch sonst im Leben der Dietzels wider. Beide sind Gründungsmitglieder des Vereins für Kultur und Heimatgeschichte Hammersbach, Ursula Dietzel übernahm damals gar den Vorsitz. Sowohl am Zeitstrahl Marköbels am Martin-Luther-Platz als auch an den geschichtlichen Schautafeln im Ortskern hat sie mitgewirkt.

Das Paar ist geprägt von Reisen, etwa nach Polen – noch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs –, wo sie auch frühere Kriegsgefangene besuchten, die einst auf Höfen in Marköbel zwangsverpflichtet waren, und wo sie sowohl herzliche Aufnahme als auch die teils bittere Armut im Sozialismus erlebten.

Die Spuren von Ursula Dietzels Vorfahren Heinrich Möller, der in den 1860er Jahren nach Amerika ausgewandert war, führten sie auch zu entfernten Verwandten in die USA, wo sie in Pennsylvania unter anderem eindrückliche Erfahrungen im Umfeld der streng religiösen Amish People sammelten.

Keine Reise, kein Hobby, aus denen nicht weitere Kontakte und Anregungen für das Ehepaar Dietzel erwachsen würden. Für den Ruhestand sind die beiden nicht geschaffen.

(Von Jan-Otto Weber) / Foto: Jan-Otto Weber

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