„Vertrauensbruch erster Güte“

In einer Pressemitteilung machen der Bürgermeister der benachbarten Stadt Nidderau, Gerhard Schultheiß (SPD) , und der Vorsitzende des Bauausschusses, Gerhard Störkel (CDU), ihrem Ärger über die Hammersbacher Christdemokraten und deren Bürgermeisterkandidaten Dr. Wächtler Luft.

Durch das Herausposaunen von Interna über die Bauvoranfrage eines privaten Investors für Windkraftanlagen zwischen Ostheim und Marköbel habe sich nicht nur einen Riss im Verhältnis zwischen den Kommunen Hammersbach und Nidderau aufgetan. Mehr noch: Nidderaus Bürgermeister Gerhard Schultheiß (SPD) befürchtet durch die Bekanntmachung nichtöffentlicher Diskussionen aus den parlamentarischen Gremien durch den Hammersbacher CDU-Bürgermeisterkandidaten Dr. Achim Wächtler sogar einen Schaden für seine Stadt. „Durch diesen Vertrauensbruch erster Güte hat Dr. Wächtler einzig potenziellen Windkraftanlagenbetreibern und privaten Grundstücksbesitzern in die Hand gespielt“, äußert sich der Rathauschef deutlich und erhält dabei Unterstützung vom Vorsitzenden des Struktur- und Bauausschusses der Stadt Nidderau, Gerhard Störkel (CDU). 

Darüber hinaus wirft Schultheiß dem CDU-Bürgermeisterkandidaten aus der Nachbargemeinde und dem Hammersbacher CDU-Fraktionsvorsitzenden Alexander Kovacsek eine falsche Einschätzung des Baurechts und parlamentarischer Verfahrensweisen vor. Wächtler und Kovacsek hatten in Pressemitteilungen ihre „Empörung“ kund getan, dass die Fachgremien beider Kommunen „hinter verschlossenen Türen über einen geplanten Windpark“ debattiert hätten, um das „Thema ohne Bürgerbeteiligung durchzuboxen“. Zudem sei die von Wächtler genannte Zahl von 20 Rotoren rund um die Biogasanlage bei Ostheim „völliger Humbug“ und „frei erfunden“, zumal beide Kommunalparlamente in ihren Stellungnahmen zum Regionalen Flächennutzungsplan die Windkraftvorrangflächen abgelehnt haben.

„Wir in Nidderau halten das Prinzip der Bürgerbeteiligung hoch. Auf dieser Basis sind bei uns schon die ersten Windkraftanlagen im Altkreis Hanau errichtet worden, und damals wurden die Bürger davon frühzeitig unterrichtet und miteinbezogen“, verweist Bürgermeister Schultheiß auf die Errichtung der vier Windrotoren zwischen Eichen und Erbstadt Ende der 90er-Jahre: „Und wir lassen uns jetzt nicht, nur weil im Nachbarort der Bürgermeisterkandidat krampfhaft nach Themen sucht, von Externen vorschreiben, was wir zu tun und zu lassen haben.“

Dass der geplante Windpark Thema einer nichtöffentlichen Sitzung war, ist letztlich das Ergebnis einer Entscheidung des Planungsverbandes Frankfurt/Rhein-Main. Das übergeordnete Gremium hatte in seiner letzten Sitzung des Jahres 2009 mit den Stimmen von CDU und FDP die Ausweisung „potenzieller Vorranggebiete für die Windenergienutzung“ im Flächennutzungsplan auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. Dadurch ist automatisch wieder der Paragraph 35 des Baugesetzbuches in Kraft getreten.

Über das Bauen im Außenbereich heißt es darin, dass Vorhaben zur „Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Wind- und Wasserenergie“ abseits der Wohnbebauung nicht abgelehnt werden dürfen. Im Klartext: Jeder Grundstücksbesitzer darf prinzipiell auf seinem Grundstück einen Windpark errichten, wenn er genügend Abstand zur Wohnbebauung und auch die übrigen bau- und naturschutzfachlichen Auflagen einhält.

„Durch den Paragraphen 35 droht uns jeden Tag ein neues Projekt“, erklärt Bürgermeister Schultheiß. Im Nidderauer Rathaus hätten schon vier potenzielle Anlagenbetreiber angeklopft, die teilweise mit den Eigentümern der Flächen bereits Vorverträge abgeschlossen hätten. Und weil die erklärte Absicht zum Bau eines Windparks durch den Paragraphen 35 den Charakter einer Bauvoranfrage hat, muss diese nichtöffentlich beraten werden, genauso wie andere große Vorhaben, die wiederkehrend im Nidderauer Struktur- und Bauausschuss beraten wurden und werden. „Das ist seit Jahrzehnten Praxis in Nidderau“, entgegnen Schultheiß und Störkel auf Wächtlers Aussage, dass diese Vorgehensweise „ungewöhnlich“ sei.

„Wir wollen keine Verspargelung der Landschaft, doch die aktuelle Rechtslage ist eindeutig“, sagt Schultheiß. Auch eine so genannte Verhinderungsplanung sei kein probates Mittel, sagt der Bürgermeister mit dem Verweis auf Friedberg. Die Stadt in der Wetterau hatte mit diesem Instrument versucht, den Bau von fünf Windrädern im Stadtteil Bruchenbrücken zu verhindern. Das Parlament beschloss, den Bau von Windrotoren auf eine Nabenhöhe von 50 Metern zu begrenzen, um die wirtschaftliche Erzeugung von Windenergie zu erschweren. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel pfiff die Friedberger Politiker zurück. Es handele sich um eine „unzulässige Verhinderungsplanung“, die mit dem Paragraphen 35 nicht konform sei.

„Dr. Wächtlers Version der Vogel-Strauß-Politik und einfach ‚Nein’ zu sagen, bringt überhaupt nichts. Wir können wenig dagegen halten, aber mit einer gemeinsamen Planung mit Hammersbach hätten wir uns eventuell stark positionieren können und selbstredend die Bevölkerung eingebunden“, sagt Schultheiß. Doch die Vertrauensbasis sei durch Wächtlers Vorstoß zerstört worden.

Das erste Gespräch, in dem, wie Bauausschussvorsitzender Störkel betont, keinerlei Beschlüsse gefasst wurden, wird das letzte bleiben. Ein zweites, in  Hammersbach geplantes Treffen der Fachgremien mit Vertretern der übergeordneten Planungsbehörden sei jetzt hinfällig. „Es gibt kein gemeinsames Vorgehen mehr. Die Sache bleibt jetzt allein den parlamentarischen Gremien der Stadt Nidderau vorbehalten“, stellen Schultheiß und Störkel klar, dass Wächtler auch den Hammersbacher Bürgern einen „Bärendienst“ erwiesen hat.
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