Halle 3 bleibt und kann genutzt werden
Die Gemeindevertretung hat am 13. Juni den Weg dafür geöffnet, dass die dritte Halle der Dietz AG im Gewerbegebiet Limes demnächst durch die Hager Group genutzt werden kann. Alle Abriss-Drohungen sind vom Tisch.
Die schwarz-grüne Koalition hatte nach Geheimgesprächen mit den Unternehmen – moderiert vom CDU-Landtagsabgeordneten Heiko Kasseckert – schon im Februar erklärt, dass sie nun doch bereit ist, die dritte Halle der Dietz AG im Gewerbegebiet zu akzeptieren. Der rasche Einzug der Hager Group solle ermöglicht werden. Ein Abriss sei unverhältnismäßig, unökologisch und nicht durchsetzbar.
Ihre radikale Wende garnierten die Koalitionäre lautstark mit viel Selbstlob und fortwährenden Beschimpfungen und Herabwürdigungen des Bürgermeisters und Zweckverbandsvorsitzenden Michael Göllner. Das Göllner-Bashing ist geradezu zur Obsession geworden.
Tatsächlich muss es der CDU und noch mehr den Grünen schwergefallen sein, sich von ihren ehemaligen Positionen zu verabschieden.
Wie war das noch?
Die Grünen, die für ihre Gründung 2019 den Bau der ersten Logistikhalle im Gewebegebiet Limes als „Initialzündung“ anführten, hatten im Wahlkampf 2021 zum Schutz der Böden noch den sofortigen Stopp aller Planungen für weitere Bauabschnitte gefordert. Der Bau einer weiteren Halle sollte mit allen Mitteln verhindert werden.
Der CDU war weniger am Bodenschutz gelegen. Sie plädierte für eine Weiterentwicklung des Gewerbegebiets, sprach sich aber gegen den Bau einer weiteren Logistikhalle aus. Der Hager Group erteilte die CDU damals ausdrücklich eine Absage.
Für den schwarz-grünen Koalitionsvertrag gaben die Grünen dann – schon kurz nach der Wahl – ihren prinzipiellen Widerstand auf. Für „kleinteiliges, regionales Gewerbe“ sollte man nun die Ackerböden opfern dürfen – was man wenige Tage vorher noch kategorisch ausgeschlossen hatte. Die dritte Halle bekämpften die Partner gemeinsam weiter, und die Osterweiterung des Gewerbegebiets nach Eckartshausen hin lehnten sie „in dieser Wahlperiode“ ab.
Allerdings fanden die Koalitionäre in der Versammlung des Zweckverbandes keine Mehrheit für ihre Pläne. Dort wurden alle nötigen Beschlüsse gefasst, um das Baurecht für die dritte Halle herzustellen. Das Ergebnis ist bekannt, die Halle steht.
Da die Koalition mit politischen Mitteln nichts mehr erreichen konnte, entschied sie sich, zu klagen. Der beauftragte Rechtsanwalt vertrat lange den Standpunkt, man könne ohne Schaden für die Gemeinde den Abriss der dritten Halle durchsetzen. Erst in diesem Frühjahr ruderte er zurück.
Und nun die überraschende Wende. Begründet unter anderem damit, dass „mit der Hager Group ein namhaftes und solides Unternehmen als Mieter gefunden wurde“. Interessant.
Juristische Erfolge führen in die Blockade
„Wir sind an dem Punkt, an dem die Koalition einsehen müsste, dass alle ihre Bemühungen mindestens fünf Jahre zu spät kommen. Wer hier nicht innehält, der macht es nicht nur für die Gemeindekasse immer teurer, er sorgt auch für miese Stimmung in den Verbandsgemeinden und vertieft Gräben in der Bevölkerung“, warnte im Februar 2022 die SPD-Vorsitzende Susana Cid Jovic.
Davon unbeeindruckt setzte sich die Koalition gegen die Einsprüche und Beanstandungen des Bürgermeisters juristisch durch und hatte zuletzt Erfolg in einem Eilverfahren gegen den Zweckverband Limes. Der VGH Kassel gewährte vorläufigen Rechtschutz gegen den Bebauungsplan des Zweckverbandes. (In der Hauptsache wird wohl erst in Jahren entschieden.) Mit dem faktischen Ergebnis, dass auf den Flächen der Westerweiterung jede weitere Entwicklung untersagt ist. Dies betrifft alle Unternehmen, die sich dort auf den noch freien Flächen ansiedeln wollten. Die bestehende Halle der Dietz AG könnte hingegen genutzt werden, nur eben nicht durch die Hager Group. Denn für deren Einzug fehlten noch letzte Teilbaugenehmigungen.
Alles blockiert also. Aus der Sicht der BI Schatzboden und des BUND ein prima Ergebnis. Für die schwarz-grüne Koalition eher desaströs. Der bejubelte juristische Erfolg führt geradewegs zu Stillstand und Blockade. Kaum zu glauben, dass dieses mögliche Ende niemand von den Koalitionsstrategen im Blick hatte.
Wie raus aus der Nummer?
Im Zweckverband Limes hat der Vorstand zwei Vorschläge zur Lösung auf den Tisch gelegt, die aber bisher nicht entschieden wurden, weil die Limeshainer Grünen eine Denkpause erbeten hatten.
In Hammersbach präsentierte die Koalition derweil ihre Idee: die Gemeindevertretung fasst einen Aufstellungsbeschluss für einen eigenen Bebauungsplan in der Westerweiterung, segnet damit die dritte Halle in ihrem aktuellen Umfang ab und öffnet wieder die Planung für die kleinteiligere Bebauung durch das regionale Gewerbe. Konkret heißt das, dass man den Bebauungsplan eines Verbandes, dem man selbst angehört, zuerst beklagt, um dann selbst noch einmal einen nahezu identischen Bebauungsplan aufzustellen.
Dem irritierten und frustrierten eigenen Publikum soll dies alles mit ökologischen Vorteilen schmackhaft gemacht werden, die im neuen Bebauungsplan verankert werden könnten.
Schwarz-Grün ohne Zustimmung der SPD handlungsunfähig
Die Proteste aus den eigenen Reihen könnte man beiseite wischen, aber es gibt ein Riesenproblem. Aus eigener Kraft kann die Koalition ihren Antrag nicht durchsetzen, denn die Grüne Irmgard Beck schert aus, bleibt auf Kurs von Bürgerinitiative und BUND. Sie trägt den Antrag nicht mit. Nun kommt es auf die SPD an.
In der Woche vor der Entscheidung wendet sich der Fraktionsvorsitzende Wilhelm Dietzel an den Moderator Heiko Kasseckert und schlägt ein Gespräch vor, mit dem Ziel, einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu formulieren. Einen Textvorschlag schickt er gleich mit. Die Koalition lehnt ab, ist am Gespräch nicht interessiert.
Nun entscheidet die SPD, einen Änderungsantrag zum Entwurf der Koalition einzubringen. Der Antrag ergänzt das Anliegen der Koalition, einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Die Gemeindevertretung soll im Zweckverband die Initiative zu ergreifen, um vorrangig dort auf einen einstimmigen Beschluss zu drängen, durch den der fehlerhafte Beschluss aus 2016 geheilt würde:
Die Hammersbacher Vertreter im Zweckverband Interkommunales Gewerbegebiet Limes ergreifen die Initiative, um den vom Verbandsvorstand vorgeschlagenen Beschluss a) zur Verbandsgebietserweiterung umzusetzen. Die Gemeindevertretung weist zugleich ihre Verbandsvertreter an, bei der Abstimmung für diesen Beschluss zu votieren.
Parallel fasst die Gemeindevertretung den folgenden Aufstellungsbeschluss für einen B-Plan zur Westerweiterung: Hier folgt der Wortlaut des ursprünglichen Antrags der Koalitionsantrags.
Zur Begründung führt die SPD an:
„Mit rückwirkender Wirkung kann so Rechtssicherheit für die gesamte nachfolgende Bauleitplanung geschaffen werden.
Der Aufstellungsbeschluss für einen B-Plan der Gemeinde Hammersbach hat eine Reihe problematischer, kaum kalkulierbarer Folgen, die geeignet sind, den Zweckverband Limes zu zerschlagen. Der Aufstellungsbeschluss ist also nicht erste Wahl zur Lösung der blockierten Situation…“
Auch diesen Antrag lehnt die Koalition ab, so dass am Ende nur noch der Antrag der Koalition zur Entscheidung steht. Sie kann dafür aber keine eigene Mehrheit aufbringen. Ohne Zustimmung der SPD würde auch dieser Antrag scheitern. Die Blockade wäre auf absehbare Zeit nicht aufzulösen.
Die SPD entscheidet sich daher, dem Antrag ihre Zustimmung zu geben.
Zur Demokratie gehört, dass man kompromissfähig sein muss. Wir werden an einer Einstimmigkeit im ZWIGL weiterarbeiten, damit wäre der heutige Beschluss hinfällig. Aber wir wollen den Unternehmen die Nutzung der Halle ermöglichen. Es darf aber kein „Hammersbach first“ geben. Die Vorzüge der Zusammenarbeit im Zweckverband sollten keinesfalls leichtfertig aufgegeben werden.
SPD-Fraktionsvorsitzender Wilhelm Dietzel
Über die Sitzung der Gemeindevertretung berichtet Jan Otto Weber im Hanauer Anzeiger. Dort kommentiert er auch die Vorgänge.