Bürgermeister Göllner im Gespräch

In einer Sondersitzung musste kürzlich die Hammersbacher Gemeindevertretung über eine Erhöhung des Kassenkredit-Limits befinden, um akute Zahlungsnöte abzuwenden. Mit der Problematik befasste sich jetzt der Haupt- und Finanzausschuss, während die Bürger in der Gemeinde besorgte Fragen aufwerfen. Solche Fragen hat jetzt Bürgermeister Michael Göllner in einem ausführlichen Gespräch beantwortet und damit seine Position deutlich gemacht.

Anfang August mussten Sie eine Sondersitzung der Gemeindevertretung einberufen. „Akute Zahlungsnot in Hammersbach“ titelte deshalb der HA und sah „dunkle Wolken über Hammersbach“.  Was ist da los?

Die allermeisten Städte und Gemeinden in Hessensind seit einigen Jahren nicht mehr in der Lage mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Einnahmen auch die Ausgaben zu decken. Allein im Main-Kinzig-Kreis haben von den 29 Städten und Gemeinden 28 defizitäre Haushalte. Dabei muss man die Ausgaben für Investitionen und langlebige Güter von den Ausgaben für das laufende Geschäft wie Sachmittel, Löhne und Gehälter und den Umlagen wie die Kreis- und Schulumlage unterscheiden. Fehlt das Geld für notwendige Investitionen, können die Kommunen langfristige Kredite, die natürlich an die Lebenszeit des Investitionsgutes gekoppelt sind, aufnehmen oder durch Verkäufe von Grundstücken Mittel flüssig machen.

Bei den laufenden Ausgaben geht das nicht. Diese müssen durch die Steuer- und Gebühreneinahmen gedeckt werden. Und eben hier klafft seit einigen Jahren ein Loch, das durch sogenannte Kassenkredite abgedeckt werden muss. Kassenkredite sind vergleichbar mit dem Dispo-Kredit privater Kontoinhaber, allerdings mit dem großen Unterschied, dass für die Gemeinden die Zinssätze extrem niedrig liegen. Dieser Kassenkredit war im laufenden Haushalt zu gering angesetzt und muss nun erhöht werden.

Heißt das, Sie können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen?

Das kann man durchaus so ausdrücken. Als dies für uns absehbar war, habe ich deshalb eine Sondersitzung einberufen, um die Beschlüsse herbeizuführen, mit denen wir unsere Liquidität wieder herstellen.

Hätte man das nicht voraussehen müssen?

Manche Kommunen setzen den Rahmen für Kassenkredite von vornherein so hoch an, dass sie solche Diskussionen nicht bekommen. Meine Philosophie geht eher dahin, den Rahmen gering zu halten, um von vorneherein gemeinsam mit der Verwaltung sparsam zu handeln.

Hat sich die Gemeinde mit ihren Großprojekten (FFW-Haus, Dependance-Modell, Interkommunales Gewerbegebiet, Windpark) etwa übernommen?

Die genannten Großprojekte spielen sich im Bereich der investiven Maßnahmen ab. Das Feuerwehrhaus und das Dependance Modell, für das wir die Grundstücke erwerben mussten, sind wichtige Zukunftsprojekte mit nachhaltigem Wert für unsere Kommune. Außerdem sind diese Maßnahmen sauber durchfinanziert und der vorgegeben Kostenrahmen wird eingehalten. Das findet man ja bei öffentlichen Bauprojekten eher selten.

Unsere Probleme liegen nicht bei den Investitionen, sondern in den laufenden Kosten und der unzureichenden Finanzierung der Städte und Gemeinden, zum Beispiel im Bereich der Kinderbetreuung.

Ist die Gemeinde noch in der Lage ihre Leistungen (Verwaltung, Bauhof, Kindertagesstätten) so zu erbringen wie bisher, ohne ihr Defizit immer weiter zu erhöhen, und kann der Haushalt konsolidiert werden?

Wir leben hier im Wesentlichen von den Steueranteilen, die den Gemeinden zugewiesen werden. Bei den Steuereinnahmen richten wir uns bei der Planung nach den Zahlen, die wir aufgrund der Steuerschätzungen durch unseren Spitzenverband vorgegeben bekommen. In den letzten Jahren fielen allerdings diese Einnahmen am Ende regelmäßig geringer aus als prognostiziert. Einen Großteil unserer Einnahmen müssen wir außerdem gleich wieder an den Kreis abführen, der sich über die Kreis- und Schulumlage der Kommunen finanziert. Wir stehen momentan vor dem Phänomen, dass auf allen staatlichen Ebenen die Einnahmen die Ausgaben nicht decken. Gleichzeitig stellt sich aber die große Politik hin und verkündet, in Zukunft eine Abkehr von ihrer Verschuldungspolitik betreiben zu wollen. Ein Teil der Strategie für den Bund und die Länder ist es dann, der kommunalen Ebene die Gelder zu entziehen. Den Letzten beißen die Hunde, und dazu gehören auch wir.

Das heißt für mich, dass eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung der Kommunen nur möglich sein wird, wenn sich in der Finanzierung des Staates etwas ändert. Es ist im wesentlich der Gleichklang von vier Aspekten: Einnahmen, Ausgaben, der Verteilung der Gelder in den staatlichen Ebenen und der Selbstbeschäftigung der Verwaltungsebenen.

Bei den Einnahmen muss es zu einer gerechten Verteilung der Steuerlasten kommen. Bei den Ausgaben muss der Aspekt der Nachhaltigkeit stärker beachtet werden. Bei der Verteilung der Gelder in den staatlichen Ebenen geht es um die Themen des Finanzausgleichs. Hierzu gehören der Länderfinanzausgleich und der kommunale Finanzausgleich, aber auch, dass das Land sich an die Verfassung hält, den Kommunen genügend Geld zur Verfügung stellt und nicht immer neue Aufgaben auf die kommunale Ebene delegiert oder Gesetze beschließt, die den Kommunen Gelder entzieht. Bei dem letzten Punkt spreche ich vom Bürokratieabbau.

Dies ist alles sehr komplex. Wir können jedenfalls die Haushalte nicht konsolidieren, indem wir mal im Bauhof eine Stelle streichen, einen Spielplatz schließen, die Grundsteuer um 10 Punkte erhöhen und nachts die Straßenbeleuchtung für zwei Stunden abstellen.

Aber man liest doch immer wieder, dass die Einnahmen der Kommunen so hoch seien wie nie?

Hierbei werden gerne drei Aspekte unterschlagen:

Erstens hatten wir infolge der noch lange nicht überwundenen Wirtschafts- und Finanzkrise wahnsinnige Ausfälle gerade auch bei den kommunalen Einnahmen. Durch durchaus kluge staatliche Programme konnte in Deutschland ja der große Zusammenbruch verhindert werden, aber trotzdem hängen uns die Steuereinbrüche aus den Jahren 2009 und 2010 noch nach.

Zweitens sind die kommunalen Einnahmen ungleich verteilt. Rekorde gibt es allenfalls bei den Gewerbesteuern der großen Städte.

Drittens sind die Kosten für die Kommunen so hoch wie nie. Hier spielen auch die Umlagen eine Rolle. Neben der Kreis, -Schul- und Gewerbesteuerumlage hat Hessen beispielsweise vor zwei Jahren noch eine weitere Kompensationsumlage erfunden. Die allgemeine Kostensteigerung für Energie- und Lohnkosten trifft natürlich auch die Gemeinden. Hinzu kommen ganz neue kostenintensive Aufgaben vor allem im Bereich der Bildung und Kinderbetreuung. Hier will die große Politik gerne glänzen, die Kosten müssen aber die Kommunen tragen.

Für die Betreuung der Unter-Dreijährigen gab es aber doch Zuschüsse?

Offensichtlich meint der Bund, wenn er Baukostenzuschüsse gibt, seien die Kommunen genug finanziert. Es ist aber wohl jedem klar, dass ein Zuschuss von noch nicht mal der Hälfte der Baukosten den laufenden Betrieb nicht sichert. Die Trägerzuschüsse, die es hierfür gibt, decken genau wie die Elternbeiträge nur einen Bruchteil der Kosten, die eigentlich über Steuereinnahmen finanziert werden müssten. Diese Einnahmen sind aber nicht da, müssen folglich über Kassenkredite (zwischen)finanziert werden.

Während die CDU vor Ort als Lösung wieder einmal Stellenstreichungen im Bauhof fordert, geht in Ronneburg die CDU-Kandidatin mit der Aussage in den Wahlkampf, HH-Konsolidierung sei eine Illusion. Was ist Ihrer Meinung nach realistisch? Kann man von den Defiziten runter kommen?

Ich möchte hier weder die Vorschläge der Hammerbacher CDU beurteilen, noch eine Bürgermeisterkandidatin der Nachbargemeinde beurteilen oder eine parteipolitische Schelte an die Landes- oder Bunderegierung verteilen. Notwendig ist aber eine ehrliche Diskussion darüber, welche Leistungen der Staat auf welcher Ebene bringen soll, wie diese solide finanziert werden und welche Maßnahmen notwendig sind, um ein zukunftsfähiges, attraktives Gemeinwesen aufrecht zu erhalten. Dabei scheint mir die Aussage der Ronneburger CDU-Kandidatin aber zumindest mal wohltuend ehrlich zu sein.

Bei allen vermeintlichen Konsolidierungsvorschlägen muss immer die Wirkung hinterfragt werden. Wenn man davon ausgeht, dass unser Personal nur Kosten verursacht, kann man durch einen Personalabbau natürlich Geld sparen. Es muss aber doch die Frage gestellt werden, was die Folgen einer solchen Politik wäre, denn mit Personal sind wir in Hammersbach weder in der Verwaltung noch im Bauhof besonders üppig ausgestattet.

Wie würden Sie die Folgen eines Personalabbaus einschätzen?

Unser Personal erfüllt vor allem Pflichtaufgaben. Darüber hinaus weiß jeder, dass wir vor großen demographischen Herausforderungen stehen und unsere Gemeinde sich attraktiv präsentieren muss, wenn wir wollen, dass die Menschen hier in Hammersbach bleiben oder zu uns kommen. Die Familien wollen gepflegte Kindergärten und Spielplätze haben, die Menschen wollen, dass die Friedhöfe sauber und ordentlich sind, im Winter müssen die Straßen gestreut und geräumt werden, weil die Menschen zur Arbeit müssen. Kaputte Gemeindestraßen und Bürgersteige müssen repariert werden. Hier wäre eher mehr als weniger notwendig. Diese Beispiele zeigen aber, dass gerade die Mitarbeiter des Bauhofes für mehr als nur das äußere Bild unserer Gemeinde verantwortlich sind.

Man liest doch immer wieder vom kommunalen Schutzschirm? Das Land kümmert sich doch offensichtlich um die Kommunen. Profitiert Hammersbach auch davon?

Hammersbach profitiert nicht von dem Schutzschirm. Diese Mittel können nur knapp über 100 Kommunen in Anspruch nehmen, die besonders verschuldet sind. In Hessen gibt es aber rund 430 Städte und Gemeinden. Im Übrigen hat das Land erst den Kommunen den ihnen eigentlich zustehenden Betrag von jährlich rund 430 Millionen entzogen, um dann etwa ein Drittel davon in Form des Schutzschirmes an einige Kommunen zurück zu geben. Das hat in meinen Augen nichts mit einer nachhaltigen Politik für die Städte und Gemeinden zu tun.

Drohen in Hammersbach jetzt massive Steuer- und Gebührenerhöhungen?

Hier müssen auch wieder Unterschiede gemacht werden. Gebühren werden für die Inanspruchnahme von bestimmten Leistungen bezahlt. Klassisch sind die Wasser- und die Abwassergebühren. Die Einnahmen müssen die Kosten decken, dürfen sie in der Regel aber auch nicht übersteigen. Da wir im Bereich der Wasserversorgung Langen-Bergheim große Investitionen vor uns haben, müssen diese dann auch umgelegt werden. Im Abwasserbereich sehe ich das derzeit nicht.

Eine Ausnahme von den kostendeckenden Gebühren ist der Kindergartenbereich. Hier zahlen die Eltern nur etwa ein Viertel des Aufwandes. Den großen „Rest“ sollen eigentlich die Gemeinden stemmen. Während aber auf der einen Seite kostenfreie Bildung und Erziehung durch den Staat propagiert wird, sehe ich den Druck der Aufsichtsbehörden auf die Kommunen zukommen, ihre Kosten zu einem größeren Teil auf die Eltern umzulegen.

Was die Steuern betrifft, gibt es für die Kommune eigentlich nur Stellschrauben bei der Gewerbesteuer und den Grundsteuern. Gerade im Zusammenhang mit dem Schutzschirm werden viele Kommunen die Hebesätze in diesem Bereich drastisch erhöhen. Das bedeutet wiederum, dass die Durchschnittwerte nach oben geschraubt werden und die staatliche Kommunalaufsicht die übrigen Kommunen wohl in diesem Bereich auch zum Handeln auffordern wird, um die Defizite zu verringern.

Gibt es weitere Ansätze für die Kommunen, sich Einnahmen zu verschaffen oder Kosten zu reduzieren?

Wichtig ist, dass wir unsere Einwohner und Unternehmen hier bei uns halten, damit hier auch die Steuern abgeführt werden. Darüber hinaus arbeiten wir ja gerade intensiv daran, uns im Bereich des Gewerbes stärker aufzustellen. Unser zukünftiges Gewerbegebiet wird uns sicherlich auch weitere zusätzliche Steuereinnahmen verschaffen. Darüber hinaus liegt eine Chance für die Kommunen im Bereich der Energiewende. Nach Fukushima wurde die Notwendigkeit, dass wir regenerative Energieträger stärker ausbauen müssen, von der Bevölkerung breit getragen. Nach und nach sehe ich diese Zustimmung für die regenerativen Energieträger wieder bröckeln, weil die Reaktorkatastrophe ein Stück weit aus dem Sinn ist. Doch gerade hier haben die Kommunen möglicherweise die Chance, hohe Einnahmen zu erzielen. Ich halte es für mehr als legitim, dies auch so zu vertreten.

Ein großes Potenzial, Geld einzusparen, sehe ich mittelfristig in einem Bereich der Kinderbetreuung. Wir haben einen tollen, vorbildlichen Hort. Etwa die Hälfte der Schulkinder fragt nach diesem Angebot und wir versuchen diese Nachfrage auch zu decken. Ich halte das für die Familien für ausgesprochen wichtig. Faktisch ist die Kombination aus Schule und Hort nichts anderes als eine Ganztagsschule. Da unsere Grundschule nun den logischen Schritt vollziehen will, tatsächlich eine Ganztagsschule zu werden, sehe ich hier die Möglichkeit, dass die Gemeinde erheblich von Kosten entlastet werden kann, denn für das Ganztagsangebot müsste das Land die Mittel zur Verfügung stellen. Das Problem ist, dass hier mehrere staatliche Ebenen miteinander verknüpft sind und eher nebeneinander als miteinander funktionieren. Das kann sich unser Land eigentlich nicht mehr leisten.

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